Platon wünscht [Dir] Heil und Segen der Vernunft in allen [Deinen] Handlungen - mit diesem Gruß begann Platon vor 2400 Jahren die Briefe an seine Freunde. Doch was können wir heute noch von Platon lernen? Gibt es Einsichten, die zeitlos Gültigkeit haben? Platon beantwortet die Frage nach dem Sinn des Lebens und lehrt die Sorge um die Seele. Die Vollendung des Lebens liegt in der die sinnliche Wahrnehmung übersteigenden Schau des Wahren, Schönen, Guten. Aus dieser Erfahrung des Absoluten entwickelt Platon die Ideenlehre. In der platonischen Tradition wird dieses Absolute als das Eine (hen) bezeichnet. Bei der Frage nach dem Wesen des Einen geht es um die Ursprungs- und Letztbegründungsproblematik, woraus jegliches entsteht, wodurch es besteht und wohinein es vergeht (vgl. Platon, Phaidon 96a). Dieses unsagbare Absolute ist der unbedingte Ursprung, aus dessen überseiender dynamis (Macht, Kraft als Vermögen) alles Sein und alle Erkennbarkeit erst hervorgeht (Jens Halfwassen: hen, hen on, in: Wörterbuch der antiken Philosophie, hrsg. von Christoph Horn und Christof Rapp, 2. Aufl. 2008, S. 185).
In den Dialogen Platons findet der Begriff das Eine noch nicht die zentrale Verwendung wie in der platonischen Tradition. Dass Platon mit der Darlegung seines henologischen Standpunkts in den Dialogen zurückhaltend ist, erklärt sich aus seiner Schriftkritik. Im Gegensatz zum persönlichen Gespräch sind schriftliche Werke nicht in der Lage, Fragen zu beantworten, einen geeigneten Ansprechpartner auszuwählen oder sich gegen Angriffe selbst zu verteidigen (Platon, Phaidros 275d-e).
In den Dialogen Platons ist das Gute die höchste Instanz jenseits des Seins. Menschen brauchen das Gute, weil sie unvollkommen sind. Das Gute ist selbst nicht das Sein, es ragt über das Sein an Würde und Kraft hinaus. Das Gute verleiht allem zugleich Sein und Erkennbarkeit (Platon, Politeia 504a-509b). Für die Seele (psyche) ist das Gute ihre spezifische Bestform (arete), die zu erkennen und erlangen die wesentlichste aller Aufgaben ist. Das Streben nach dem Guten ist auch die Bedingung von wahrer Freundschaft (Michael Erler: Platon, 2007, S. 158).
Schämst du dich nicht, für Geld zwar zu sorgen, wie du davon am meisten erlangst, und für Ruhm und Ehre; für Einsicht aber und Wahrheit und für deine Seele, dass sie sich aufs beste befinde, sorgst du nicht, und daran willst du nicht denken?(Platon, Apologie des Sokrates 29d-e)
Die Seele ist die moralische Instanz in uns. Auf dem Weg zu Weisheitsliebe und Erkenntnis ist die Umwendung der ganzen Psyche notwendig, die sich von der sinnlich-leiblichen Existenz zu lösen hat, um sich dem ewig Seienden zuzuwenden (Gernot Böhme: Platons theoretische Philosophie, 2000, S. 35 f.). Philosophie als Liebe zur Weisheit ist eine Praxis, eine Lebensform. Der die Weisheit Liebende ist sich seiner Dürftigkeit bewusst, er steht mitten zwischen Unwissenheit und Weisheit. Das Philosophieren kommt weder schon weisen noch völlig unwissenden Menschen zu, sondern nur jenen, die zwar unwissend sind, aber hiervon ein Bewusstsein haben. Welche Mischung macht das gute Leben aus? Dass eine Mischung gut ist, ergibt sich aus der Verbindung mit den drei Prinzipien symmetria (Gleichmaß/Ebenmaß/Ausgewogenheit/richtiges Verhältnis), kallos (Schönheit) und aletheia (Unverborgenheit/Wahrheit). Die Vernunft ist dem Guten näher verwandt als die Lust. Den obersten Rang hat der Bereich von Maß (metron), Abgemessenem (metrion) und Rechtzeitigem (kairion). Es folgen das Ebenmäßige, Schöne, Vollendete und Vollkommene; danach Vernunft und Einsicht; dann die Wissenschaften und Künste bis hinab zu den richtigen Meinungen in der Seele; schließlich die reinen menschlichen Lustgefühle. Der größte Sieg ist der Sieg über sich selbst. Ziel ist Friede und Eintracht im Inneren. Der Sinn der Philosophie ist die Heilung der Seele (Erler, a.a.O., S. 162, 262, 282). Gut, gerecht und schön zu leben ist dasselbe (Platon, Kriton 64b -48b).